In der Begegnung zwischen Wald und offener Landschaft in Unterliezheim in Deutschland liegt die Wooden Chapel von John Pawson. Das beispiellose Werk gehört zu den Sieben Kapellen, einem architektonischen Projekt der Siegfried und Elfriede Denzel Stiftung, in dessen Rahmen 2018-2020 entlang des 2.850 km langen Donau-Radwegs sieben Kapellen errichtet wurden.
Kapelle – Unterliezheim, Bayern, Deutschland
Architekt: John Pawson
Fotograf: Felix Friedmann
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Douglasie
61 Douglasienstämme aus sechs Wäldern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
Die sieben Kapellen am Donau-Radweg wurden von sieben verschiedenen Architekten entworfen. Die Aufgabe war einfach: Die Kapelle sollte aus Holz konstruiert sein, ein Kreuz umfassen und zu jeder Zeit für alle zugänglich sein.
Als John Pawson den Auftrag erhielt, eine der Kapellen im Süden Deutschlands zu entwerfen, reihte er sich in die langjährige Tradition ein, Kapellen als geistliche und architektonische Orientierungspunkte in der Landschaft zu errichten.
Mit ihrer Lage auf einem bewaldeten Hügel, toller Aussicht auf die schwäbische Landschaft und direktem Blick zum Kirchturm des Dorfs Unterliezheim soll die Wooden Chapel von Passanten entdeckt und nicht als traditionelles architektonisches Werk erlebt werden.
Ein kleiner Pfad, der von den Hauptwegen abzweigt, führt zum Eingang der Kapelle, die in der Begegnung zwischen Wald und offener Landschaft liegt. Das eigentliche Gebäude ist äußerst schlicht in seiner Form und Struktur. Aus manchen Blickwinkeln erscheint die Kapelle lediglich wie aufeinandergestapelte Holzstämme. Aus anderen Perspektiven erhält man einen formaleren Eindruck, nämlich den einer Art Skulptur, die sich mit der durchdachten Platzierung der Holzelemente auf einem Betonsockel aus dem Wald erhebt.
In all ihrer Schlichtheit ist die Wooden Chapel als Zufluchtsort oder Besinnungsraum konzipiert, völlig schmucklos und mit Raum für Freiheit und Klarheit. Die Konstruktion ist simpel: 61 aufeinander gestapelte Holzstämme aus Dinesen Douglasie, die von sechs Waldbesitzern aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sorgfältig ausgewählt und gefällt wurden. Das Kreuz am Giebel besteht aus bernsteinfarbenem Glas.
Die Dominanz eines einzigen Materials ermöglicht die sinnliche Vertiefung – das Berühren, Betrachten, Riechen und sogar Hören, da der Charakter der Oberfläche den Charakter der Akustik beeinflusst. Die Pracht der geschnittenen Douglasienstämme ist unverkennbar – die warmen Nuancen, taktilen Oberflächen und Muster der Maserung.
Man betritt die Kapelle durch eine schmale Öffnung, die das Gefühl von Nähe beim Gang durch die dichten Wälder imitieren soll. Es soll eine tief empfundene und visuelle Form von Theatererfahrung ausgelöst werden, wenn man durch den schmalen Raum mit seiner über sieben Meter hohen Decke und fast neun Metern Länge geht. Der Lichteinfall ist bewusst spärlich. Ein schmaler Schlitz auf Dachhöhe lässt Tageslicht von oben ein. Die Dunkelheit lenkt die Aufmerksamkeit auf zwei andere Lichtquellen am fernen Ende der Kapelle: durch das kreuzförmige Glas und das einzige Fenster des Gebäudes.
Eine schlanke Bank lädt zum Verweilen ein – zu einem Augenblick der Vertiefung, in dem das streng beherrschte Innere der Kapelle einen Reichtum eröffnet, der durch die Aussicht auf die von den Konstruktionen umrahmte Landschaft sowie das stetige Gegenspiel von Kompression und Expansion, das die Genialität dieser architektonischen Komposition betont, noch verstärkt wird.
Im Freien, wo das Holz nur minimal behandelt wurde und die Witterung im Laufe der Zeit ihre Spuren hinterlassen wird, erinnert die Konstruktion dauerhaft an den Wald, aus dem sie entstanden ist.